Warnung: Kritische Lawinensituation in den gesamten Alpen

Warnung: Kritische Lawinensituation in den gesamten Alpen

Die Hauptsaison hat in den Alpen begonnen und viele Europäer werden in den kommenden Wochen zum Skifahren und Snowboarden in die Alpen fahren (in der letzten Februarwoche wird es besonders zugehen). Für viele der Touristen wird es das erste Mal auf Bretter in diesem Winter sein. An Weihnachten war es fast überall noch grün, jetzt ist es endlich weiß. Die Schneedecke in weiten Teilen der Alpen ist jedoch (deutlich) dünner als normal für diese Jahreszeit. Jetzt könnte es zu Problemen kommen, die damit zu tun haben, dass zum einen die Schneedecke sehr dünn ist, zum anderen jedoch Massen in die Berge strömen, die den Trends des Splitboardens und Tourengehens folgen, um authentische Abenteuer abseits der Pisten zu erleben.

Probleme? Warum Probleme?

Der Saisonbeginn war außergewöhnlich trocken in den Alpen. Mit Ausnahme der Schneefälle Anfang November, kam eigentlich keinerlei Schnee über den Alpen herunter. Aufgrund der Sonne ist dieser Schnee auf den meisten Pisten dann auch bald wieder geschmolzen. Die Sonne war zu jener Zeit jedoch nicht kräftig genug, um auch den Schnee auf Nordhängen oberhalb von 2200 m zu schmelzen. Daher besteht auf Nordhängen eine eingeschneite Altschneeschicht in der Schneedecke. Anfang Januar ist auf diese Schicht weiterer Schnee gefallen.

Dünne Schneedecke am Arlberg Mitte Dezember
Dünne Schneedecke am Arlberg Mitte Dezember

Warum ist das jetzt ein Problem? Tja, der Schnee in dieser Schicht wandelt sich in körnigen Altschnee um. Diesen neue gebildeten Kristallformen fehlt die Bindung untereinander. Sie liegen quasi wie einzelne Schneeflocken da. Wenn dann Neuschnee auf diese Schicht mit körnigem Altschnee (oder weiter umgewandelt in Becherkristalle) fällt, so verbinden sich diese Schichte nicht miteinander. Es liegt also eine gewaltige Schicht Schnee auf einer Schicht Altschnee, die wie Kugellager fungieren. Wenn ihr Druck auf die Schneedecke ausübt, ist die Chance gegeben, dass die obere Schickt bricht. IS der Hang steil genug, dann wird aus dieser tödlichen Kombination eine Lawinenauslösung.

Körniger Altschnee (source: data.avalanches.org)
Körniger Altschnee (source: data.avalanches.org)

Normalerweise (also dann wenn es genug Schnee in den Alpen gibt), stellt diese Schicht keine großen Probleme dar, weil sie schlichtweg tief in der Schneedecke verschwunden ist und die Chance geringer ist, diese Schicht mit Ski oder Snowboard zu stören. Das ist in diesem Winter anders. Es reicht bereits das Gewicht eines einzelnen Wintersportlers aus um eine Lawine auszulösen. Mit Ausnahme des Piemont, ist die Schneedecke in den gesamten Alpen dünner als gewöhnlich.

Ist es immer noch ein Problem?

Ja, ganz bestimmt. Lawinen in den Alpen haben in dieser Saison bereits 35 Menschenleben gefordert. Mindestens ein Drittel der Unfälle ist auf dieses Altschneeproblem zurückzuführen. In der vergangenen Woche haben wir Berichte über Lawinenabgänge aus Österreich, der Schweiz und Frankreich erhalten.

Lawine in Aravis (source: data.avalanches.org)
Lawine in Aravis (source: data.avalanches.org)
Lawine in Valfréjus nahe Piste Le Jeu (source: data.avalanches.org)
Lawine in Valfréjus nahe Piste Le Jeu (source: data.avalanches.org)

Wie lang bleibt dieses Problem bestehen?

Das Problem bleibt genau so lang bestehen, wie lang die Schneedecke noch zu dünn bleibt. Wir brauchen also viel mehr Schnee. Da es in den kommenden Tagen keine Niederschläge in den Alpen geben wird, ist diese Warnung sehr nützlich. Wir brauchen im Moment mindestens zwei große Dumps.

Wo befindet sich diese Schwachschicht?

Ganz besonders häufig befindet sich diese Schwachschicht in Schattenhängen oberhalb der Baumgrenze (also über ca. 1990-2200 m). Sie liegt tief in der Schneedecke von Nordhängen, aber auch auf steilen West- oder Osthängen. Lest IMMER den Lawinenlagebericht der entsprechenden Region, denn dort wird das Problem genau beschrieben stehen.

Wie erkennt man diese Altschneeschicht?

Das geht nicht. Sie liegt tief in der Schneedecke und ist mit bloßem Auge nicht erkennbar. Die Schneedecke sieht schön aus, steckt aber voller Gefahren. Unser Gehirn erkennt keine Gefahren, die ihm die Augen nicht zeigen. Um das Problem zu visualisieren müsst ihr in der Lage sein ein Schneeprofil zu graben und zu bewerten.

Was kann man tun?

Wenn ihr nicht die entsprechende Erfahrung und das nötige Wissen habt, dann solltet ihr nicht abseits der Pisten fahren. So einfach ist das. Selbst mit dem entsprechenden Wissen, solltet ihr in den kommenden Wochen besonders konservativ in der Linienwahl sein. Begebt euch auf keine Hänge die steiler sing als es die Reduktionsmethode zulässt. Bei Lawinenwarnstufe 3 (erheblich) solltet ihr Hänge meiden, die steiler als 35 Grad sind, vielleicht sogar darunter. Das zweite was ihr beachten solltet, ist es nicht oberhalb der Baumgrenze zu fahren. Wir haben mittlerweile auch Berichte aus Prali und Sestriere erhalten, dass auch dort (trotz mehr Schnee) die Altschneedecke problematisch und störanfällig ist (siehe Kommentare unten).

Seid also vorsichtig und stellt euch immer wieder die fogenden Fragen:

  • Habe ich das entsprechende Wissen?
  • Habe ich (und alle anderen in der Gruppe) die notwendige Ausrüstung (LVS, Schaufel, Sonde) und beherrsche den Umgang damit?
  • Habe ich den Lawinenlagebericht gelesen und verstanden?
  • Erkenne ich die Bereiche am Berg, in denen Bereiche gemieden werden müssen, um Gefahren zu umgehen?

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Reaktionen

Fortgeschritten
-Patrick-Autor13 Februar 2017 · 17:59

Vielen Dank an unseren Leser Gerold, der uns diese Nachricht geschickt hat:

Wir kommen gerade von einer Touren/Freeridewoche um Sestriere zurück.
Auch dort gibt es das Altschneeproblem.

Man sackt schattseitig immer wieder ab mit den Ski oder auch beim Abfahren, wenn es Stockeinsatz braucht. Das ganze Fundament oberhalb ca. 1800 m ist schattseitig mit grieseligem Schnee, aufbauend umgewandelt.

Es sei die Bemerkung erlaubt, dass die Gefahr davon nicht nur nur ausgeht, dass dieser Schnee als Kugellager fungiert, da er körnig ist, sondern auch, da sich die unterste Lage regelrecht zusammenbrechen kann, bei enstprechender Druckausübung und wenn dann eine gebunde Neuschneeschicht darauf liegt, sich ganze Hänge in Bewegung setzen können. Im Wald ist wie du richtig bemerkst, das Problem geringer, jedoch nur, weil die darüber liegende Schicht meist ungebunden ist.
Wie gesagt, auch die aktuellen Lawinenunfälle im Piemont bestätigen, dass es dort trotz der mächtigeren Schneedecke nicht ungefährlich ist.

@Prali: Auch hier ist die Schneedecke auch erst ab ca. 1800 – 1900 m ordentlich, darunter hat es auch relativ wenig Schnee im Vergleich. Sestriere hat deutlich weniger Schnee. Jedoch weiter Richtung Westen (Val Thures) an der frz. Grenze war es am Besten von der Schneehöhe, jedoch auch dort schattseig Schwimmschnee.

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