Wintersport ist gefährlich, abseits der Pisten ist es noch gefährlicher. Ob auf der Piste oder im Tourengelände, beider Orts tummeln sich Menschen denen die Gefahren bewusst sind, als auch jene die unbedacht handeln. Klar sollte jedem sein, dass das eigene Handeln nie ohne Konsequenzen für andere ist. Als 2009 der ehemalige thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus in einen Skiunfall verwickelt war, bei dem eine Frau durch Kopfverletzungen ihr Leben verlor, waren Skihelme in der Folge für Monate ausverkauft. Seitdem breite Powderlatten zum massentauglichen Freizeitinstrument geworden sind, werden teure ABS-Rucksäcke jeden Winter tausendfach verkauft.
Einzig allein der Frage, ob damit auch verantwortungsbewusst umgegangen wird stellen sich Verkäufer und Konsumenten viel zu selten. „Das wird schon gut gehen“ oder „Das haben wir schon immer so gemacht“ sind denkbare letzte Worte vieler verunglückter Freizeitsportler. Ohne den Respekt vor Opfern und ihren Angehörigen zu verlieren oder hier zu pauschalisieren, ist es wichtig gewisse Dinge anzusprechen. Oft genug trifft das Unglück die falschen und Unverstand wird mit Glück belohnt, wobei mangelhafte Ausrüstung statistisch bemerkbar ist.
Leider sind Begeisterung und Adrenalin ganz vorne dabei, wenn bei frischem Powder und guter Sicht unüberlegt gehandelt wird. Gefahren werden ausgeblendet, die Gedanken sind beim letzten Youtube-Video der Freeride World Tour und der Selfie-Stick wird erst losgelassen, wenn das Schneebrett unter den eigenen Füßen abgeht. Ich will nicht nach den Verantwortlichen für solches Fehlverhalten suchen, denn jeder trifft seine eigenen Entscheidungen. Dazu gehört neben der Entscheidung wie sehr man sich von medialen Hypes und Marketingstrategien beeinflussen lässt, ganz besonders eine realistische Einschätzung des eigenen Könnens und des Wissens, das man über Gefahren am Berg besitzt.
Ich kann euch keine Tipps geben, wie ihr euer Können verbessert. Dafür gibt es Skilehrer oder eure Freunde. Ich will euch Wissen vermitteln, das euch hilft geniale Powdertage zu erleben, ohne die Sicherheit aus den Augen zu lassen. Es gibt eine Vielzahl an Fachbüchern zur Lawinensicherheit, die teilweise sehr unterschiedliche Herangehensweisen vorstellen. Kritisch bin ich persönlich gegenüber Methoden, die versuchen die eine unumstößliche Antwort zu liefern um einzuschätzen ob ein Hang sicher ist oder nicht. Ich sage es euch gleich vorweg: Diese Garantie gibt es nicht.
Klar, es ist mir lieber wenn jemand die „Stop or Go“ Karte des Österreichischen Alpenvereins verwendet als einfach loszufahren und zu denken „Ich hab ja meinen Luftballonrucksack, der mich rettet“. Dennoch bringt euch die Karte nur etwas, wenn ihr euch ausgiebig damit befasst habt wie Lawinen entstehen können. Die nächste bekannte Methode stellt Werner Munter in seinem Buch „3x3 Lawinen - Risikomanagement im Wintersport“ vor. Munter gibt euch hier ein fundiertes Basiswissen und klärt über viele Irrtümer auf, die leider im Zusammenhang mit Lawinen bestehen. Einer dieser Irrtümer, mit denen er hart ins Gericht geht, ist z.B. die Annahme, dass Im Wald nichts passieren kann. Ich habe das selbst schon Leute sagen hören, die seit Jahren powdern. Oft grenzt es an ein Wunder, dass Unwissenheit nicht bestraft wird. Ich gönne jedem das Glück, doch Glück allein ist auf Dauer kein Guter Begleiter.
Es ist euer Job euch zu informieren. Alles was ihr lernt könnt ihr in der Gondel oder auf der Hinfahrt mit Freunden und Bekannten teilen. Der Austausch ist wichtig, denn die Forschung ist lange nicht am Ende. Seid immer wissbegierig und hört Anderen zu. Übung ist genauso wichtig. Ist ein unerfahrener Freerider in eurer Gruppe, dann nehmt euch die Zeit und vergrabt einen Rucksack mit LVS und helft ihm beim Suchen. Ihr verliert vielleicht den ersten Run, die erste Line, aber dafür vielleicht nicht euer Leben.
„3x3 Lawinen“ von Werner Munter ist ein sehr guter Einstieg in das Lawinenwissen. Ihr erfahrt vieles über den Aufbau der Schneedecke und den Faktor Mensch. Manche Bergführer stehen seiner „Reduktionsmethode mit goldener Regel“ kritisch gegenüber, da es am Berg keine einzeln gültige Regel gibt. Für Einsteiger ist diese Buch jedoch sehr zu empfehlen. Es ist bessere am Anfang konservativere Entscheidungen zu treffen als mit zu viel Mut und Risiko sein Leben aufs Spiel zu setzen. Ich kann euch auch besonders die Mountain Academy ans Herz legen. Wenn ihr noch keine Erfahrung habt, dann lernt ihr im Modul 1 die wichtigsten Grundlagen und könnt euer Wissen im zweiten Kurs vertiefen. Die Mischung aus Videos, Text und abschließendem Test je Lektion stellt eine einprägsame Lernmethode dar, falls es euch scher fällt aus Büchern zu lernen.
Ich will euch keine Angst vor den Bergen machen, im Gegenteil. Im Gespräch über Reduktionsmethoden usw. hat mir vor ein paar Jahren, bei einem Kurs in Obertauern, ein erfahrener Skiführer das Buch „Staying Alive in Avalanche Terrain“ von Bruce Tremper empfohlen. Wir haben als Gruppe an diesem Tag selbst eine Lawine ausgelöst, bei der zum Glück niemand erfasst wurde. Am Abend haben wir dann kritisch diskutiert, wie Begeisterung und Ängste im Verhältnis zur Sicherheit stehen. Am nächsten Tag standen wir wieder gemeinsam auf dem Gipfel, mein Vertrauen zu den Guides war noch gestärkter als am Vortag und wir hatten einen unvergesslichen Tag in über einem Meter Champagne-Powder der völlig ohne Wind gefallen war. Am Tag darauf hab ich mir selbst das Buch besorgt.
Bruce Trempers nimmt in seinem Buch kein Blatt vor den Mund und spricht ehrlich darüber wie schwer es ist einen kühlen Kopf zu bewahren. Er zählt sich selbst zu jenen, die über Lawinen auf die harte Art und Weise lernen mussten und hat sich in der Folge ausgiebig mit deren Entstehung und Vermeidung beschäftigt. Das Ergebnis ist ein Werk, dass die Gefahr verstehen und einschätzen lehrt. Und genau darum geht es, allein schon im Titel „Am Leben bleiben im Lawinengelände“ (wörtlich).
Da es keine deutsche Übersetzung aus dem Englischen gibt, werde ich euch mit meiner Artikelserie "Abseits der Pisten überleben" mit Erklärungen aus diesem hervorragenden Buch versorgen. Wer nicht warten will und Englisch gut versteht, findet das Buch hier. Ich werde euch nicht das gesamte Buch übersetzen, sondern einzelne Themen herauspicken, die fortgeschrittenen Freeridern als Denkanstöße dienen um selbst aktiv ihr Wissen zu vertiefen.
Geballtes Wissen, sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene, findet ihr in der wePowder Safety Academy. Die ersten beiden Kapitel von Course I und Course II sind kostenlos!
Shred save, Patrick