Ski-Anomalie im Norden

Ski-Anomalie im Norden

Hamburg hat zwei Skihallen, 22 Skivereine und mehr als 3000 Mitglieder. Damit haben sie sogar München abgehängt und hat so den größten Skiverband ganz Deutschlands. Gute Voraussetzungen also eigentlich für norddeutsche Powderjünger. Die Sache hat nur einen Haken: Es sind alles vor allem nur rennsportaffine Leute. Von Freeridern ist da leider keine Spur. Zumindest als ich mich auf die Suche nach Gleichgesinnten machte weil meine beiden Bergkumpanen wegen Nachwuchs und Hüftbruch ausvielen.

##Nur ein Ausweg: Selber was auf die Beine stellen!

Ich saß also alleine da, mit dem Kribbeln in den Beinen, den Träumen vom weißen Gold, den Schmetterlingen im Bauch die mit einem fliegen, wenn man die Kante einer Klippe verlassen hat…
Ich schrieb alle Vereine in Hamburg an, durchsuchte Foren, suchte nach Facebookgruppen um irgendwie Leute zu finden, die mit mir in den Tiefschnee wollten. Fehlanzeige!
Es ist anscheinend wohl auch so, dass man sich als Hamburger nicht gerade groß über das Skifahren unterhält. Verständlich, den Sätze wie „Hey, hast du Lust nächstes Wochenende mit uns Skifahren zu gehen?“ kommen hier leider distanzbedingt nicht oft in unserem Sprachgebrauch vor.
Ich wusste aber, dass es unvermutet viele gute Ski- und Snowboardfahrer in Hamburg und Umgebung gibt. Das liegt hauptsächlich wohl an den Ferien im März, die Hamburg als einziges Bundesland offiziell als Skiferien deklariert hat.
Die Leute fahren meistens schon seit jungen Jahren mit ihren Familien oder festen Gruppen jedes Jahr wieder für ein oder zwei Wochen in die Alpen und wurden dadurch teilweise wirklich gut. Sie wurden so gut, dass sie aus der Gruppe herauswuchsen und sich für Aspekte des Skifahrens interessierten, wo die anderen aus der Gruppe nicht mehr genug Interesse oder Können ausweisen konnten. Oder die Gruppen zerfielen langsam aufgrund von Umzügen, Elternschaften, keine Zeit mehr wegen Job etc.

Ich konnte dieses Dilemma nicht mehr mit ansehen. Ich musste etwas dagegen unternehmen. Ich erschuf Fischkoppriding! Und ich glaube es ist eine Geschichte wert, nicht nur für die Norddeutschen Fischköppe.

Norddeutsche Freeride-community
Norddeutsche Freeride-community

##LVS-Suche auf dem Elbstrand - Geräte retten bevor die Flut kommt
Anfangs noch mit 50 Mann trafen einige von uns sich zum ersten „Nördlichster Lawinenkurs Deutschlands“. Wir sagten uns: „Hey, die meisten Übungen und sowieso die ganze Theorie können wir doch am Hamburg Elbstrand machen!“ Zwei Wochen später saßen wir an einem kalten nassen Herbsttag mit 5 Mann in der Strandperle an der Elbe und guckten uns ein Lehrvideo vom DAV an, liefen mit piepsenden, blinkenden, in Hamburg fremdartigen Geräten über den dunklen Strand und gruben unsere LVS-Geräte aus dem Sand aus bevor die Flut kam.
Erfolg! Wir waren unabhängig von den Bergen und konnten unsere Leute in unserer Heimatstätte ausbilden! Naja, zumindest in den meisten Aspekten vorbereiten.

Der zweite Fischkoppriding-LVS-Kurs: Bei Hamburger Wetter mit ner Pulle Bier und LVS über den Spielplatz
Der zweite Fischkoppriding-LVS-Kurs: Bei Hamburger Wetter mit ner Pulle Bier und LVS über den Spielplatz

Vor kurzem hatten wir unseren vierten Fischkoppriding-LVS-Kurs und kann nicht ganz ohne Stolz sagen, dass wir uns weiterentwickelt haben.

Felix bringt uns die Basics der Lawinenkunde bei - alles freiwillig, von Fischköppen, für Fischköppe
Felix bringt uns die Basics der Lawinenkunde bei - alles freiwillig, von Fischköppen, für Fischköppe
Die Fischkoppneulinge haben ihre Ohren gespitzt
Die Fischkoppneulinge haben ihre Ohren gespitzt

Dann gingen die Reisen los. Die erste Fischkoppreise wurde zwar in eine Woche gelegt, wo frischer Powder wahrscheinlich war. Aber wir hatten Pech und musste nehmen was man bekam.
Aus diesen Erfahrungen ist langsam die Strategie entstanden wirklich spontan loszufahren. Inzwischen gab es eine Seite im Netz, die für diese Zwecke ideal war: WePowder!
Morris und seine Vorhersagen waren wirklich ein Segen für uns Flachlandtiroler, kein Wunder, dass ich früher oder später auch hier gelandet bin. Ziemlich abgefahren stolz bin ich darauf auch.

##Spontanität ist der Schlüssel – auch im Norden

Die Saison 14/15 wurde dann mit der neuen Strategie gestartet… - und was es für Ergebnisse gebracht hat…

Der Powderalarm wurde gegeben und fünf Fischköppe steckten ihre Köpfe virtuell zusammen. Fünf Tage später trafen sich alle in einer kleinen, urigen Hütte mitten in einem kleinen unbekannten Skigebiet wieder und hatten Powder wie aus dem Film…
Was die bayrische sechsköpfige Gruppe, die wir durch alkoholgefördertem Zufall am unglaublichsten fand, war dass wir uns größtenteils vorher alle noch nie gesehen hatten und jetzt trotzdem hier zusammen saßen.
Das Internet hat uns neue Wege eröffnet. Man muss nur die richtigen Ideen haben und es können sich wunderbare Dinge daraus ergeben.

Ein weiterer völlig unvorhergesehener, abgefahrener Nebeneffekt ergab sich für viele von uns noch in der selben Saison. Wir posteten aus dem Urlaub heraus wo wir waren. Einige waren nur ein Tal weiter, andere waren im selben Skigebiet. Ich setzte mich kurzerhand in mein selbstgebautes Zeltmobil und fuhr eine Woche durch die Alpen, immer mit dem Blick auf den perfekten Schnee mit den perfekten Fischköppen.

Zeltmobil in einer gemütlichen Nacht
Zeltmobil in einer gemütlichen Nacht

In der Woche fuhr ich mit acht Fischköppen in fünf verschiedenen Gebieten. Die meisten kannten ihre Skigebiete gut und führten mich zu den Secret Spots. Wir hatten zwischen den Wäldern die beste Zeit im Powder wo andere im Nebel lieber die Massenabfertigungshütten bevorzugt haben. Wir haben den

zerflügt wo andere sich um die letzten unzerfahrenen Hänge kloppten.

Andere Fischköppe luden mich auf einer anderen spontanen Powderjagt in ihre leerstehende Luxuswohnung im Skigebiet ein und gingen mit mir auf ihren Hausberg.
##Fester Zusammenhalt aus Mangel an Festhaltemöglichkeiten

Die Hamburger Powderverrückten wissen untereinander was in ihren Köpfen los ist… Egal ob Ski, Snowboard, Skitourengeher oder Telemarker, uns alle vereint die Sehnsucht nach dem weißen Stoke. Dieses Gefühl von Schwerelosigkeit zwischen den Turns, das Gefühl eine riesige Klippe runterspringen zu können, und trotzdem fluffig weich zu landen, der Speed, und …die Freiheit.
Beim Flyer verteilen habe ich viele aufgehende Gesichter vor mir gehabt… „Sowas habe ich schon immer gesucht!“, „Warum gab es sowas nicht schon früher?“ Ich glaube die Norddeutschen in der Gruppe sind einfach so froh sich über ihre Leidenschaft, die von so wenigen verstanden wird, austauschen zu können, dass viele wirklich sehr bereitwillig sind etwas für die Gemeinschaft zu tun!
Ende letzter Saison haben wir dann noch unseren ersten

zustande gebracht. Ein Mitglied hatte Zugang zu einer Schiffslagerhalle im Hafen, mein Vater lud seinen Hänger voll mit Werkbank, Heizstrahlern und Skiwerkzeug und zeigte uns, wie wir unsere Bretter selber wachsen können.

Alle unsere Aktionen sind bisher ohne Geld ausgekommen. Für Fischköppe, von Fischköppen ist angesagt. Und so gab es schon diverse Vorträge zur Lawinengefahr, gesponsorte Parties, frei zur Verfügung gestellte Luxusseminarräume inklusive Getränke, Parties bei Fischköppen Zuhause inklusive Freibier…

Und auch die Facebookgruppe ist extrem aktiv. Lawinenunfälle werden analysiert und diskutiert mit Information aus erster Hand, es werden einander Tipps gegeben zu guten Ärzten, guten Spots, guten Brettern. Spontan werden Urban Shredding-Aktionen verabredet, wenn denn mal Schnee in Hamburg fällt. Es gibt Infos wenn günstige Reisen, oder Ausrüstung irgendwo angeboten werden und die Powderalarme werden von mir regelmäßig gepostet, wenn sie für uns relevant sind. Grundsätzlich bekommt der norddeutsche Powderverrückte bei Fischkoppriding alle relevanten News aus der Bergwelt, die im Netz kursieren. Dafür sorge ich, indem ich fast jeden Tag die hunderte von Facebookmeldungen aller einschlägigen Skionlinemagazine und Akteure in der Onlineskiwelt durchkämme.

Seit kurzem Haben wir eine extra Gruppe für Second Hand Gear, der „Fischmarkt“.

Worüber ich aber noch aufgeregter bin ist die neue Wer-ist-wann-wo-Karte.

Vielleicht ist der nächste Fischkopp gleich um die Ecke?
Vielleicht ist der nächste Fischkopp gleich um die Ecke?

Es ist der nächste Schritt dahin die Freude mit gleichgesinnten zu teilen. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich auch relativ viele Einheimische eingeschlichen haben! Das freut uns umso mehr. Zum einen kriegen wir dann Infos aus erster Hand, und zum anderen bestätigt es uns auch darin, dass wir mit unserer Gruppe auf dem richtigen Weg sind. Warum es unten im Süden anscheinend eher weniger solche Gemeinschaften gibt? Vielleicht liegt es ja auch einfach nur daran, dass wir Norddeutschen soviel Zeit haben uns in der Theorie mit der schönsten Nebensache der Welt zu beschäftigen… ;)

William (Willi) Albright
Ein einfacher Fischkopp, der die Norddeutschen Powderverrückten zusammen bringt

PS: Wer bock hat, hier ist die Tür ;)
Fischkoppriding

Willi
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