Abseits der Pisten überleben - Teil 4: Gelände

Abseits der Pisten überleben - Teil 4: Gelände

Eine vernünftige Line-Wahl ist nicht nur für die Profis bei der Freeride World Tour wichtig. Auch für jeden Anderen gilt es sein Risiko abzuwägen und die eigenen Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Den Lagebericht gelesen zu haben ist die Pflicht, eure Entscheidung am Berg die Kür. Außer dem Interpretieren der Fakten, lohnt es sich jedoch den Kopf oben zu behalten und die Umgebung genau zu betrachten.

The Lion sleeps tonight

Im vorangehenden Teil dieser Serie, war mein Thema die Hangneigung. Jetzt blicke ich mit euch auf Geländemerkmale im Allgemeinen. In vielen Fällen, kann eine genaue Beobachtung von Einzelstellen im Hang ein Lawinenunglück verhindern. Wie? Ganz einfach indem ihr offensichtliche Gefahrenstellen meidet. Hier scheue ich auch nicht davor wieder gebetsmühlenartig an euch zu appellieren kein Schaf, kein Pferd und kein Löwe am Berg zu sein. Ihr habt keine Ahnung was ich damit meine? Kurz gesagt geht es darum, geduldig und vor allem vernünftig als Gruppe zu entscheiden, ihr könnt hier im Detail nachlesen, was es mit diesen drei Tier-Syndromen auf sich hat.

Sein kein Schaaf, denn Freeriden ist nun wirklich kein Herdensport
Sein kein Schaaf, denn Freeriden ist nun wirklich kein Herdensport

Jetzt aber zurück zur Praxis. Da keines von Bruce Trempers Syndromen aus dem Tierreich auf euch zutrifft, seid ihr natürlich verantwortungsbewusste Wintersportler und macht euch die nötigen Gedanken. Beobachtet dazu eure Umgebung so genau ihr könnt. Ob in der Gondel, im Lift oder mit Fellen unter den Füßen, genau jetzt habt ihr die Chance euch den gewünschten Hang genau anzusehen. Wenn es die Sicht und der Winkel zulassen, dann macht ein Foto von Unten, denn von Oben sieht jeder Hang völlig anders aus. Ein Foto auf dem Smartphone oder der Kamera kann eine gute Stütze sein, um sich an einzelne Stellen zu erinnern. Das allerwichtigste bleibt jedoch der Austausch mit euren Shred-Buddies. Ich meine damit natürlich nicht, dass ihr im Sessellift dieselben Hashtags auf Instagram verwenden sollt, sondern ihr solltet die Chance nutzen und stattdessen gemeinsam über Abfahrtsmöglichkeiten sprechen. Analysiert und studiert dabei den oder die Hänge so genau wie möglich. Lasst den Löwen in euch also am besten am Vorabend auf die Jagd, wenn ihr auf wePowder Gebiete durchforstet, geht früh Schlafen und seid am nächsten Tag völlig entspannt.

Welche Gefahrenanzeichen kann ich mit bloßem Auge erkennen?

Jeden der im freien Gelände unterwegs ist, sollte sich bewusst sein, dass bei weitem nicht alle Gefahren sichtbar sind. Lest euch nochmal durch wie eine Lawine entstehen kann, wenn ihr euch nicht im Klaren darüber seid. Es gibt jedoch gewisse Punkte, die euch beim Abfahren das Leben erleichtern, vielleicht sogar deutlich verlängern können. Die ersten guten Ansatzpunkte erlangt ihr, wenn ihr euch darüber Gedanken macht wo Lawinen möglich wären und welche Größe sie erreichen könnten. Schaut euch dazu Abgänge in jedem Gebiet ganz genau an, denn tatsächlich wird nicht jeder Anriss der gleichen Höhe in jedem Gebiet zur gleichgroßen Lawine. Ein guter Richtwert als Ausgangspunkt ist der Faktor 2.5. Im Schnitt ist der horizontale Auslauf eines Lawinenkegels nämlich 2.5 mal so lang wie der Vertikale Höhenunterschied zwischen Anriss und der Höhe auf der die Lawine zum Stehen kommt. Wir nennen das den Auslauf der Lawine. Falls ihr also vorhabt unter einem dicken Schneefeld euer Zelt für die Nacht aufzuschlagen, dann macht das bitte mit mindestens 2.5fachen Höhenunterschied in gerader Ebene entfernt. Die Faustregel ist jedoch, dass es keine Faustregel gibt. Denn messen wir den Winkel vom Auslauf der Lawine zum Anriss, wird dieser immer unterschiedlich ausfallen. Das zeigt auch wieder wie wichtig es ist, die Hangneigung regelmäßig zu messen. Neben frischen Lawinen könnt ihr übrigen auch gut überschneite Lawinenkegel analysieren, da der Auslauf oft noch gut durch aufgetürmte Schneemassen zu erkennen ist. Auch Waldschneisen in denen einfach mal auf 200 Metern Breite kein Baum mehr steht, sind ein Anzeichen dafür, dass hier entweder der Förster übergründlich oder Lawinen alljährlich unterwegs sind. Es gilt also mal wieder der Grundsatz: Das beste Anzeichen für Lawinen sind Lawinen.

Wieviele Bäume braucht ihr als Anker um euch sicher zu fühlen?
Wieviele Bäume braucht ihr als Anker um euch sicher zu fühlen?

Gut zu erkennen, jedoch mindestens als trügerisch zu bewerten sind sogenannte Geländeanker. Dazu zählen zum Beispiel Bäume und Felsen, die aus dem Schnee ragen. An Bäumen, die auf der Bergseite kaum noch Äste haben könnt ihr zwar ungefähre Lawinenausläufe bestimmen, doch sie geben euch keine Garantie die Schneedecke für euch festzuhalten. Viel zu oft habe ich leider schon den unsinnigen Satz „Im Wald passiert ja sowieso nix, fahr‘ ma einfach zu“ hören müssen. Weniger, ja das stimmt aber was bringt euch das wenn einer der wenigen Fälle euer Ende ist? Bäume können nur positiv stabilisierend auf die Schneedecke wirken, wenn sie gleichmäßig verteilt sind und am besten viele Äste in Bodennähe haben. Erklärt also bitte keinen einzelnen Baum auf 2000 Metern Höhe als Safepoint für eure Gruppe. Auch mit Felsen solltet ihr auch auf keinen Fall als rettenden Inseln kalkulieren. Zum einen wisst ihr oft gar nicht, wie groß der Felsen unter dem Schnee wirklich ist und ob dieser und andere gleichmäßig verteilt sind. Es ist sogar so, dass viele Lawinen genau bei Felsen ausgelöst werden. Durch die Verbindung zum warmen Untergrund kann sich auf der Oberfläche größerer, eingeschneiter Felsen Reif bilden, der dann wiederum den umliegenden Schnee schwächen kann. Schwachschicht sagt euch was oder? Eben. Das ist jedoch ein Bespiel, das für diesen Artikel viel zu sehr ins Detail geht, daher solltet ihr euch selbst schlau machen. Das Thema Lawinen wird spannender je mehr ihr euch damit beschäftigt. Und das Beste daran ist, dass ihr mehr Mitspracherecht über euer Überleben habt, je mehr ihr darüber wisst.

Jetzt habe ich euch geballtes Wissen über Anzeichen im Gelände versprochen und euch dann aber vor allem präsentiert, was alles an Irrtümern besteht. Genauso ist es aber nun mal leider mit Lawinen. Niemand kann genau sagen wann, wo und wie sich ein Schneebrett löst, außer ihr habt die Taschen voller TNT. Wissen was man nicht tun sollte, ist der beste Weg zum Überleben abseits der Pisten. Daher informiert euch gut und lernt auch im Sommer mit der wePowder Safety Academy dazu. Die ersten beiden Kapitel von Course I und Course II sind kostenlos!

Übersicht aller Teile:

Viele der Informationen dieser Artikel-Serie basieren auf dem Buch „Staying Alive in Avalanche Terrain“ von Bruce Tremper. Wer alles ausführlich und mit vielen anschaulichen Illustrationen nachlesen will und Englisch gut versteht, findet das Buch hier. Ich werde euch nicht das gesamte Buch übersetzen, sondern einzelne Themen herauspicken, die fortgeschrittenen Freeridern und Tourengehern als Denkanstöße dienen, um selbst aktiv ihr Wissen zu vertiefen.

Shred save, Patrick

-Patrick-
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